Das Schulprojekt „Vom Zuhören und Dazugehören“ wurde von Inga Berlin und Pia Thattamannil in Zusammenarbeit mit dem Marburger Theater GegenStand entwickelt und auf Initiative des Fördervereins an unserer Schule durchgeführt.
Kadir wird von Benno ausgegrenzt und beleidigt.
Durch das Projekt führt ein kleines Theaterstück:
Kadir wohnte bisher in Köln und ist mit seiner Familie umgezogen. Er kommt in eine neue Klasse und freut sich schon darauf. Als er mit den Kindern spielen möchte, weist ihn Benno, ein großer und starker Junge, zurück. Benno sagt, dass Kadir stinkt, klaut und lügt, was für alle Ausländer typisch sei. Deshalb wolle man Kadir hier nicht haben.
In den folgenden Tagen ärgert und beleidigt Benno Kadir immer wieder. So klebt er Kadir mitten im Unterricht einen Zettel mit der Aufschrift „Stinker“ auf den Rücken.
Kadir traut sich nicht, sich zu wehren, da er neu in der Klasse ist, keine Freunde hat und Benno größer und stärker ist als er. Kadir hofft, dass es besser wird, wenn er sich nicht beschwert und sich nicht wehrt – stattdessen wird alles noch schlimmer.
Kadir wird von Benno geärgert.
Kadir ist hilflos und verzweifelt und rastet aus: Er nimmt einen Stuhl und wirft ihn durch die Klasse.
Als seine Lehrerin ihn zur Rede stellt und fragt, was mit ihm los sei, sagt Kadir nichts. Er hat Angst, dass er dann als „Petzer“ gilt und überhaupt keine Freunde mehr findet.
Erst als die Lehrerin ankündigt, sie wolle mit Kadirs Mutter sprechen, erzählt Kadir seiner Mutter die Geschichte. Seine Mutter überzeugt Kadir, dass er mit der Lehrerin sprechen, sich Hilfe suchen und sich wehren muss.
Aus der Geschichte ergeben sich viele Fragen, die mit den Kindern besprochen werden. Manche Antworten werden in kleine Rollenspiele umgesetzt.
- Woher will Benno wissen, dass Kadir stinkt, klaut und lügt? Er kennt ihn doch gar nicht!
- Was ist „Typisch Ausländer“ oder „Typisch Deutsch“? Ist nicht jeder Mensch etwas Eigenes und Besonderes?
- Weshalb glaubt Benno, dass er sich gegenüber einem Mitschüler so gemein verhalten kann? Hat er keine Angst, bestraft zu werden?
- Was will Benno erreichen, wenn er Kadir ärgert und beleidigt? Glaubt er, er wird dann von seinen Mitschülern bewundert?
- Ist es wirklich bewundernswert, wenn man Schwächere ärgert und beleidigt?
- Ist es richtig, sich herauszuhalten und nichts zu tun, oder muss man Kadir helfen?
- Was kann man tun, um Kadir zu helfen? Soll man Benno sagen, dass man sein Verhalten doof findet? Soll man mit der Lehrerin reden? Soll man mit Kadir spielen und damit zeigen, dass auch Kadir nicht alleine ist, sondern Freunde hat?
- Petzt man, wenn man mit Lehrern oder Eltern über unfaires Verhalten spricht?
- Was passiert, wenn Kadir sich nicht wehrt? Wird ihn dann Benno in Ruhe lassen oder wird alles noch schlimmer?
- Was würdest Du an Kadirs Stelle tun? Mit wem würdest Du reden? Wer könnte Dir helfen? Was würdest Du zu Benno sagen?
Einer stellt Benno zur Rede: "Warum machst du das? Wenn du das nochmal machst, dann... !"
Zwei kümmern sich um Kadir und trösten ihn.
Eine geht zum Lehrer und holt ihn zu Hilfe.
Eine spielt nun mit Kadir und nicht mit Benno.
Bei der Durchführung des Projekts waren die Kinder aufmerksam und interessiert. Viele Kinder brachten Fragen, Beobachtungen und Vorschläge ein, die zeigen, dass ihnen dieses Thema wichtig ist und sie selbst auch schon viele Erfahrungen zu diesem Thema gesammelt haben. Umso wichtiger ist es, auch in der Schule darüber zu sprechen.
Die Geschichte von Kadir und Benno ist natürlich für das Theaterstück erfunden. Sie könnte sich aber an jeder Schule so oder ganz ähnlich abgespielt haben. Denn das Muster erlebt man immer wieder: Kadir wird von Benno nicht deshalb angefeindet, weil er sich schlecht verhalten hätte. Wie Kadir als Mensch ist, ob er freundlich und hilfsbereit ist, spielt für Benno überhaupt keine Rolle. Benno genügt es, dass Kadir einer Gruppe angehört, der er unterstellt, sie würde stinken, stehlen und lügen. Und alle Vorurteile gegenüber dieser Gruppe lastet er Kadir persönlich an. Weil Kadir von vorneherein abgelehnt und ausgegrenzt wird, hat er auch keine Chance, durch sein persönliches Verhalten zu zeigen, dass er ganz anders ist, als ihm von Benno unterstellt wird.
Mobbing, Anfeindungen, Beleidigungen und Ausgrenzung gibt es in den vielfältigsten Formen in der Gesellschaft und auch in den Schulen. Mobbing beginnt oft mit scheinbar harmlosen Witzeleien über Aussehen, Kleidung, Gewicht, Herkunft, Essgewohnheiten oder angebliche körperliche Mängel von Mitschülern. Fühlen sich die Mobber durch andere Kinder, die mitlachen oder sich gar am Mobbing beteiligen, unterstützt und bestätigt, folgen den scheinbar harmlosen Anfängen ganz schnell üble Beleidigungen, Demütigungen und körperliche Angriffe.
Deshalb ist es wichtig, Kinder zu sensibilisieren, damit sie Diskriminierungen und Grenzüberschreitungen erkennen und diesen begegnen können.
Wenn man sieht, dass andere Kinder gemobbt, extrem unfair und gemein behandelt werden, sollte man nicht mitmachen und nicht wegsehen, sondern helfen. Allein schon deshalb, weil Mobbing jeden und damit auch einen selbst treffen kann und man dann auch Hilfe braucht. Nur so kann man sich erfolgreich gegen seelische oder körperliche Verletzungen, Gemeinheiten und Demütigungen wehren. Und nur so kann man eine Schule verwirklichen, in der sich jedes Kind respektiert, willkommen und geschützt fühlen kann.